Mehr Mut im Storytelling

Der Satz „Willkommen auf unserer Webseite“ erzählt keine Geschichte. Trotzdem liest man ihn viel zu häufig auf Unternehmensseiten. Mut zum Storytelling bringt jedoch mehr Aufmerksamkeit.

Die häufigste Frage, die ich beim Nachtelefonieren mit unzähligen Journalistinnen und Journalisten hörte, lief darauf hinaus: Wos is die Gschicht?

In diesen Gesprächen habe ich in erster Linie gelernt, was keine Geschichten sind. 

Die Presseaussendung eines Baukonzerns über die Anschaffung eines neuen E-Baggers ist zum Beispiel keine Geschichte, wenn die restliche Flotte aus Diesel-Fahrzeugen besteht. Auch eine Einladung zu einem Round Table mit dem CEO eines großen Unternehmens, der im Jahr 2021 über die “massiven Umwälzungen” der Digitalisierung spricht, verspricht keine Geschichte.

Was lernte ich daraus? Zum einen, dass Journalistinnen und Journalisten viel zu wenig Zeit für den Berg an Nachrichten haben, der ihnen täglich in den Postkasten gespült wird. Zum anderen, dass sie auch nur Menschen sind, deren Aufmerksamkeit innerhalb von maximal drei Sekunden rapide sinkt – wenn das Thema langweilig ist. 

Aufmerksamkeit mit Storytelling

Diese Herausforderung zieht sich nicht nur durch die Pressearbeit, der ich mittlerweile weitgehend entflohen bin. Sie ist elementarer Bestandteil des Kampfes um eine der knappsten Ressourcen der digitalen Ära: Aufmerksamkeit. Die Zuckerbergs, Pages und Hoffmans dieser Welt haben uns die Tools für die größte Aufmerksamkeits-Maschinerie der Geschichte in die Hand gegeben. Ob wir damit erfolgreich sind, sprich Aufmerksamkeit gewinnen, hängt stark vom Storytelling ab.

Der Satz “Herzlich Willkommen auf unserer Webseite” ist vieles, aber keine Geschichte. Website-Copy ohne Story und ohne Mut verpufft im Äther der Irrelevanz. Das wissen Kommunikatoren, aber trotzdem landen diese fünf Wörter der Verdammnis am Ende auf der Unternehmensseite. Warum? Weil vielen der Mut fehlt, um sich abzuheben. 

Sei kein gewöhnlicher Baum

Vor einigen Tagen führte ich eine Unterhaltung mit meinem zukünftigen Schwiegervater. Er suchte vor Jahren als Senior Director einer Bank neue Talente für die Kundenberatung und wühlte sich deshalb durch Dutzende CV’s von Bewerberinnen und Bewerbern. Jedes Foto sah ähnlich aus, jedes Schreiben war mit zweiseitigen Praktikastellen und MBAs angehäuft. Am Ende lud er einen jungen Mann ein, der eine Ausbildung zum Rauchfangkehrer absolvierte. Heute ist dieser inzwischen nicht mehr ganz junge Mann angehender Vermögensberater in derselben Bank. 

Natürlich hat er diesen Job nicht bekommen, weil die Bank händeringend nach einem fähigen Rauchfangkehrer suchte. Er stach mit dieser etwas ungewöhnlichen Berufserfahrung aus einem Wald von Fragen intelligenten, aber gewöhnlichen Bewerbern hervor. Deshalb gilt: Sei kein gewöhnlicher Baum im Wald, sondern trau dich, vor deinen Baum-Brüdern und Schwestern aufzufallen. So wirst du zum Nistplatz für die prächtigsten Vögel, während sich deine Baumfamilie mit Blattlausbefall herumschlägt. 

Wer bin ich überhaupt?

Ok, du hast den Hero mit dem Willkommensgruß gelöscht und starrst nun einen blinkenden Cursor an? Herzlichen Glückwunsch, aber ein paar Stunden wirst du diesen Satz aus den Tiefen der Finsternis noch behalten müssen. In dieser Zeit wird sich das Ranking deiner Seite auch nicht dramatisch verändern, keine Sorge. Denn bevor es überhaupt ans Storytelling geht, gilt es, das eigene Seelenleben zu erforschen. 

Start with why. Dieser Satz stammt von Simon Sinek, einem amerikanischen Autor. In einem berühmten TED-Talk stellte Sinek ihn im Rahmen seiner These des “Golden Circle” vor. Im Wesentlichen lamentiert er dabei, dass weniger erfolgreiche Menschen einen grundsätzlich falschen Weg der Eigenkommunikation wählen. Sie starten mit der Beschreibung Ihrer Dienstleistung und sprechen erst zum Schluss über ihre Vision. Dabei sollte man genau mit dieser Vision beginnen, denn diese entscheidet darüber, ob sich Menschen für dich interessieren. 

Was wäre wohl passiert, wenn Martin Luther King vor dem Washington Monument keinen Traum skizziert, sondern im kleinsten Detail über die Wirksamkeit des gewaltsamen Widerstandes referiert hätte? Was, wenn Lenin während der Oktoberrevolution die Massen mit Vorträgen aus dem “Kapital” zum Einschlafen gebracht hätte, anstatt sie für die Vision der klassenlosen Gesellschaft begeistert hätte?

Keine Vision, keine Revolution. Oder, auf die Welt der Wirtschaft übertragen: Kein Warum-Satz, kein Umsatz. 

Kurz ist König

Wir haben das Warum geklärt, aber wie soll man denn jetzt schreiben? Das wird das nächste Thema in diesem Blog sein. 

Das wichtigste sei jedoch bereits hier gesagt. Halte. dich. kurz! Niemand wird deine ausufernden Beschreibungen lesen, wenn du beim Römischen Reich beginnst und noch einen Abstecher beim Osmanischen Reich einlegst. 

Der legendäre Leo Burnett brachte es ziemlich gut auf den Punkt:

Make it simple. Make it memorable. Make it inviting to look at”.

Leo Burnett

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